Seleuce
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Re: Die Stadt des Amun
Antworten #292 - 11/07/06 um 00:09:01
ER hatte nicht geschrieben und sie HATTE es? Hatte er richtig gehört? Amuneminet war ganz perlex und fixierte die bereits wieder geschlossene Tür, wo die Zwillinge verschwunden waren immer noch. Und plötzlich donnerte er wutentbrannt, weil sich seine Sorgen, die er über die letzten Dekaden ordentlich weggesperrt hatte, mit einem Mal befreiten, seine Fäußte auf die Tischplatte, daß die Binsen und das Tintenschälchen in die Höhe hüpften und ein paar der Binsen klirrend auf dem Boden landeten. Und das war nicht genug, er sprang auf und trat einen Stuhl um, schlug mit beiden Fäußten nun gegen die Wand, wischte dabei einen kleinen Zierbehang herunter und ließ einen markerschütternden Schrei hören, so daß der Schreiber, der ihm hier zur Verfügung stand und der eben erst zu seinem Dienst erschien, erschrocken angestürzt kam und fragte, ob alles in Ordnung war. Amuneminet schob den Mann bei Seite, rief ihm knurrend zu, er solle sich an die Arbeit machen und lief hinaus, ihm war egal wohin... Sein Dienstleben, seine Karriere hatte er nun wieder unter Kontrolle und im Griff, aber es half ihm nicht in den einsamen Nächten und bei den Dingen, die ihm auf dem Herzen brannten! Nedjet könnte er jetzt gut vertragen, um sich abzureagieren, aber mehr vermochte sie ihm auch nicht zu geben! Er lief und lief, bis ihm die Lungen zu brennen begannen, weil er solch forschen Lauf nicht mehr gewohnt war, so lange, bis er am Ende gezwungen war, sich selbst zu stoppen und japsend an einer Dattelpalme zu verschnaufen. Zuerst stand er vornüber gebeugt, den Oberkörper über die Arme auf den angewinkelten Knien abgestützt, dann ließ er sich schlapp gegen den Stamm kippen und nach unten rutschen und begann jämmerlich zu heulen. Er hatte die Jungen enttäuscht, die reimten sich auf sein Verhalten etwas zusammen, das jenseits von Amuneminets ganzen Charakter lag, was einfach nicht stimmte, das kam nun auch noch dazu! Und alles offenbar, weil sowohl seiner, als auch ihr Brief den Ort ihrer Bestimmung nicht erreicht hatten!! JA, er war feige, das war wahr, er selbst hatte sich erst gestern so genannt, feige, die Frau, die seine eigene kleine Familie darstellte und zu der er doch gefunden hatte, weil er tief für sie empfand, um Verzeihung für sein Versäumnis zu bitten. Aber woran lag das nur? Er würde nach wie vor jedem Angreifer mit seinem Bogen oder gar dem aufrechten Sefet entgegentreten, Tawabets Leben, das Leben der Jungen, das seiner Eltern, Geschwister, Freunde, das jedes Menschen, der ihm wichtig war mit seinem eigenen verteidigen! Käme da einer und wollte Ramses die Kehle durchschneiden oder seinen Vater bedrohen, er stünde dazwischen! Hier, in der Welt der Gefühle dagegen war er hilf- und mutlos wie der elendste Wurm! Aber daß die Jungen ihn jetzt für so niederträchtig hielten, Standesdünkel zu betreiben, konnte er nicht auf sich sitzen lassen! Er mußt es klären, aber momentan war er völlig ratlos, WIE, wo es doch so nahe lag... Und das alles auch noch, wo seine Eltern hier waren! Seine Mutter hatte ihn beim Empfang gestern schon mehrfach nach Tawabet gefragt und er war ihr ständig ausgewichen. In seinem Alter war er ihr ganz sicher keine Rechenschaft mehr schuldig, doch seiner sozialen und gesellschaftlich so fest strukturierten Familie, dem starken Gefüge, in das er dort eingebunden war, schon! Wieso konnte er nicht einfach die Zufriedenheit seines Vaters, seiner Brüder an den Tag legen, die eines Priesters, der die Herrlichkeit der Götter erfuhr und darin aufzugehen vermochte, ohne so große Bedingungen und Erwartungen an das Leben zu stellen? Zumindest machten die Priester seiner Familie auf ihn diesen Eindruck... Sollte er es vielleicht doch einfach einmal versuchen...?
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