Seleuce
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Re: Die Stadt des Amun
Antworten #1847 - 01/23/07 um 19:00:19
Isisnofret bemerkte im gleichen Moment, da die Priester rätselnd bei der ersten GKG vorsprachen, ebenfalls diese seltsamen Vorgänge... Die beständige Arbeit mit dem Stroh war so ungewohnt für ihre Hände, daß alles Öl und alle Schutzmaßnahmen sie nicht davor bewahren konnten, daß ihre Fingerkuppen mit der Zeit immer empfindlicher wurden, weil sich die Haut dort kräftig abnutzte, auch wenn Hathor ihr hin und wieder gnädig Heilung zukommen ließ... So war sie ins Badezimmer gegangen, um ihre Hände in frischem, kalten Wasser ein wenig zu kühlen und wie sie dort auf einem Hocker saß und die Fingern in einer verzierten Waschschüssel schwenkte, die zu ihrem Hausstand gehörte, machte sie die besorgniserregende Entdeckung, die Wennefer und Bakenchons so erschüttert hatte: Ramses' Kartuschen, die den inneren und den äußeren Rand umsäumten, waren fast völlig verschwunden... Irrte sie sich oder war es eine ihr fremde Schüssel, die zur Villa gehörte? Nein, Das gesamte Waschgeschirr, das den Brand überlebt hatte, hatte Panewi mitgebracht, oder später herbeischaffen lassen! War das möglich? Isisnofret zog die Hände aus dem Wasser und trocknete sie geistesabwesend, auf die wenigen noch verbliebenen Linien starrend. Was hatte das zu bedeuten? Ihre Augen weiteten sich und mit einem Mal sprang sie auf, lief zu ihrer ebenhölzernen Schmuckschatulle und öffnete sie. Ein kleiner Schrei entwand sich ihrer Kehle und ihre Finger zuckten zurück, als hätte sie ein Blitz getroffen... Mit verzerrtem Gesicht rieb sie sich die Hände und sah sich in der Umgebung der Schatulle um, was diesen äußerst unangenehmen Schmerz ausgelöst hatte: Die Geierhaube, die ordentlich zurechtgemacht auf einem hölzernen Modellkopf über ihrer kleinen Kugelperrücke prangte... sie hatte sie versehentlich berührt... ... und in der Schatulle bot sich das gleiche Bild: Die Oberarmreifen, die ihr Sesu mal zum Sothisaufgang in On geschenkt hatte, waren ebenfalls seines Namens verlustig gegangen, genau wie die kleinen, lotosförmigen Ohrringe, auf denen sein Name geschrieben gewesen war... das Pektoral, das sie zu relegiösen Zeremonien trug, war namenlos. Hastig sprang sie wieder auf, lief zu ihren Tagebüchern, die eine ihrer Zofen vor dem Brand gerettet hatte... Selbst dort, wo sie eigenhänig Ramses' Thronnamen geschrieben hatte, waren nur noch fahle Striche zu sehen, die eher einer Unreinheit im Papyrus glichen als daß sie einmal Schrift gewesen wären. "Sesu..." flüsterte sie panisch, ließ die Schriftrollen fallen und lief in sein Zimmer, wo sie ihn vorfand, wie er dort schon seit 3 Tagen ruhte... Ängstlich legte sie sich neben ihn, lauschte nach seinem Herzen, seinem Atem und als sie beide Lebenszeichen schwach aber vorhanden vernahm, war sie ein wenig beruhigter. Aber nur ein wenig... Hektisch nahm sie sein Gesicht in die Hände und sah ihn an. "Bitte wach auf," flehte sie herzzerreißend, obwohl sie genau wußte, daß das momentan unmöglich war. Sie wußte es, hatte die Goldene persönlich es ihr doch genau erklärt, aber ihre Empfindungen verdrängten ihre Vernunft und ließen sie weiter bitten, immer und immer wieder. Ihre Hände streichelten über seine Brust, ihr Gesicht drückte sie gegen seine kühle Wange und ihre Tränen benetzten seine eigenartig wächserne Haut, die weich war und doch nicht so, wie sie sie sonst kannte. "WACH AUF! Biiiiitte Sesuuuu...," wimmerte sie, begann schließlich, ihn an den Schultern packend, ihn zu schütteln, schlug mit ihren zierlichen Händen gegen seinen Brustkorb und begann aus der Verzweiflung heraus zu schimpfen, daß er ein gemeiner Hund wäre, sie so betteln zu lassen und dann rutschte sie über ihm schließlich wieder zusammen und schluchzte, den Kopf an seiner Schulter vergrabend, erstickt in den Stoff seines Lagers...
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